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Schwerter zu Pflugscharen – Wege zum Frieden

| Falk Schöller |

Gedanken von Citykirchenpfarrer Falk Schöller

Wann sind sie endlich da? Die letzten Tage. Unserer Welt. Unseres Lebens.
Wann kommen sie endlich? Die letzten Tage.
Noch sind sie nicht da, nicht abgebrochen.
So leben wir in den vorletzten Tagen.
Das Leben an den vorletzten Tagen ist anstrengend. Sehr.
 
So denke nicht ich, so denkt Micha. Ein Prophet.
2800 Jahre sind seine Gedanken alt. Und immer noch aktuell.
Er ist es leid, diese ständige Sorge an den vorletzten Tagen.
Zu seiner Zeit herrschten verschiedene Könige. Immer wieder wechselten die Regierungschefs.
Zu seiner Zeit herrschte Krieg. Und es herrschten Unrecht und Ungerechtigkeit. Und Ausbeutung und Elend.
Micha sehnt sich danach, dass es anders wird.
Manches Mal hofft er auf Gott. Dass er es anders macht.
Manches Mal hofft er auf Menschen. Dass sie es anders machen.
 
Mir geht es wie Micha. Ich sehne mich auch danach, dass es anders wird.
Weniger Leid. Weniger Schmerz. Weniger Trübsal.
Weniger Kriege. Weniger Terror.
Weniger Streit. Im Großen wie im Kleinen.
Ich sehne mich danach, dass es anders wird.
Manches Mal hoffe ich auf Gott. Dass er es anders macht.
Manches Mal hoffe ich auf Menschen. Dass sie es anders machen.
Manches Mal hoffe ich auf mich. Dass zumindest ich es anders mache.
 
Wie geht es Ihnen und Euch?
Mit den letzten und den vorletzten Tagen?
Mit eurem Sehnen und Hoffen?
Sehnt ihr euch danach, dass es anders wird?
Hofft ihr auf Gott, manches Mal?
Hofft ihr auf Menschen, manches Mal?
Hofft ihr auf euch, manches Mal?
 
Micha hofft auf Menschen und auf Gott.
Micha hofft auf die mächtigen Völker und auf die Mächtigen der Völker.
Die Mächtigen der Völker sollen sich mit den mächtigen Völkern aufmachen.
Nicht zur Völkerschlacht nach Leipzig.
Sondern zur Völkerwallfahrt auf den Zion.
Er kann es beinahe sehen:
Sie ziehen dahin, alle, auf den Berg.
Im Gepäck: Schwerter, Lanzen, Säbeln.
Im Gepäck auch: ihre Lieder, ihre Sprache, ihr Glaube, ihre Götter.
Bereit zum Krieg. Bereit zum Frieden. Zu allem bereit.
 
Micha sieht es vor seinen Augen:
Es geht den Berg hoch. Schritt für Schritt. Alle müssen mit.
Nach oben. Auf die Spitze.
Dort steht: ein Haus. Ein Gotteshaus.
In diesem Haus gibt es einen Raum, das Allerheiligste.
Niemand kann hineinsehen. Ein Vorhang verhüllt den Blick.
Hinter dem Vorhang ist, überraschend: ein leerer Raum. Dort soll einmal die Bundeslade gewesen sein. Mit den Gesetzestafeln des Mose.
Auf ihnen: Gottes Gebote.
Nicht stehlen. Nicht lügen. Nicht töten. Nicht begehren, was ein anderer hat.
Gott ehren. Feiertage heiligen.
 
Die Bundeslade ist weg. Aber Gott ist da.
So hoffen und glauben alle.
An den letzten Tagen.
Als die Völker auf diesen Berg gehen, zu diesem Haus Gottes.
Sie haben alle den Krieg, den Streit, den Hass satt.
Sie wollen Frieden, aber sie schaffen ihn nicht aus eigener Kraft.
 
Auf diesem Berg gründen sich Vereinten Nationen. Vereint im Willen, Frieden zu schaffen. So hofft es Micha.
Nach so vielen vorletzten Tagen. An den letzten Tagen.
Er hofft, dass Gott spricht, wie es geht:
Frieden, Versöhnung, Gerechtigkeit, Zukunft.
„Macht aus Schwertern Pflugscharen, aus Lanzen Sicheln, aus Dolchen Winzermesser.“
 
Was Micha gesehen hat, damals, können wir heute sehen.
Es gibt es, das Haus, an dem die Nationen vereint sind.
Das Haus der Vereinten Nationen.
Es steht nicht auf dem Berg, sondern am Wasser.
Nicht in Jerusalem, in New York.
Die Vereinten Nationen wurden nach dem Ende des zweiten Weltkriegs gegründet.
Nie wieder sollte ein Führer so viel Leid und Elend über die Menschen bringen.
Nie wieder sollte ein Volk die Welt mit so viel Elend, Hass und Krieg überziehen.
Nie wieder sollten Kriege mit Atomwaffen geführt werden, die ganze Städte dem Erdboden gleichmachen, Menschenleben zu hunderttausenden ausradieren.
Der große Krieg war vorüber. Der letzte Tag, jetzt war die Zeit.
 „Macht aus Schwertern Pflugscharen, aus Lanzen Sicheln, aus Dolchen Winzermesser.“
 
Die Vereinten Nationen haben sich gegründet. Ihre Ziele:
Friede ist auf der Welt.
Nationen schließen Freundschaft.
Völker arbeiten zusammen.
Recht wird gesprochen.
Jeder Mensch hat seine Würde.
 
Die Sowjetunion hat 1959 den Vereinten Nationen eine Statue geschenkt.
Ein Arbeiter, ein Bauer, muskulös, groß, einen Hammer im Arm,
Er schlägt er auf sein Schwert ein – um daraus ein Pflug zu machen.
Die Sowjetunion zeigt den Anspruch und das Selbstbild: wir sind eine Friedensmacht. Die Sowjetunion, die einst unter Gorbatschow friedlich zerfallen ist.
Die Sowjetunion, die unter Putin kriegerisch und terroristisch wieder auferstehen soll. Damals Schwerter zu Pflugscharen – jetzt wieder Pflugscharen zu Schwertern?
 
Wir müssen uns vor Augen führen, dass es ein martialisches, gewaltiges Bild ist.
Frieden ist ein Kraftakt.
Frieden braucht Stärke und rohe Kräfte.
Frieden kommt nicht auf leisen Sohlen daher, ist nicht federleicht.
Der Weg zum Frieden braucht starke Führung.
Es ist ein Aufstieg aller zum Gipfel:
Völker müssen mit auf den Berg genommen werden.
Die Mächtigen müssen all ihre Führungskraft einsetzen.
Alle sollen gut auf den Berg kommen.
Noch ausgestattet mit Schwertern.
Bald ausgestattet mit Pflugscharen.
 
Auf dem Berg aber zeigen die mächtigen Völker und die Mächtigen der Völker noch eine ganz entscheidende Eigenschaft:
Sie sind bereit, nicht nur auf sich selbst zu hören, nicht nur an sich selbst zu glauben. Sondern sie hören auf und glauben an einen unsichtbaren Gott.
Der gibt die richtigen Anweisungen, zeigt den Weg zum Frieden.
„So wahr mir Gott helfe!“
Diese Bitte macht die Mächtigen nicht ohnmächtig, sondern zum Frieden mächtig.
„So wahr mir Gott helfe.“
Und Gott hilft, da ist Micha sicher – mit seinem guten Wort.
Dass es nach den letzten Tagen wieder neue Tage gibt.
Die vorletzten Tage lassen sich aushalten, wenn wir auf letzte Tage hoffen, nach denen es weiter geht. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Sondern: das Leben.
Es geht nach den letzten Tagen weiter.
 
Nach den letzten Tagen, in der neuen Zeit, geht es weiter.
Wenn alle Völker wieder in der Heimat sind, bei ihren Göttern, ihrem Glauben, in ihrer Sprache sprechen, spricht Gott. Vor Ort. Ganz nah.
 Am Tag, nach den letzten Tagen, spricht Gott:
Die Versprengten will ich sammeln.
Ich sehe die Menschen an, denen Unheil und Unrecht widerfahren ist.
Ich blicke auf die aus der Heimat vertriebenen und geflüchteten Menschen.
Ich wende mich denen zu, die krank an Leib und Seele sind.
Gott sammelt sie auch ein.
Es ist ein leiser Friede.
Uns aufgegeben.
Im Namen Gottes.
Tag für Tag.
An jedem Ort.
Gott spricht und verspricht:
Ich vergesse keinen, habe alle im Blick.
Auch dich.
An deinem Ort.
In deiner Zeit.
 
Der Himmel öffnet sich.
Der Blick weitet sich.
Der Friede kehrt ein.
In der Welt und bei uns.
Gottes Friede.
Höher als alle menschliche Vernunft.
Gott bewahrt uns.
Uns gilt sein Frieden.
Er kommt auf leisen Sohlen zu uns.
 
Achten wir, in unseren vorletzten Tagen, nicht nur auf die lauten Töne.
Auf die die Hammerschläge unserer letzten Tage.
Hoffentlich führen sie zum Frieden.
Achten wir auch auf die leisen Töne.
Dann kommt der Himmel.
Auch zu uns.
Versprochen.
So spricht der Herr.
Amen.