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Morgenimpulse Karwoche

Morgenimpuls zum 11. April 2022

ERWACHEN (Wilhelm Bruners) ist der Titel eines Gedichts des katholischen Theologen, der lange in Jerusalem lebte. ‚Seit Tagen träumt der Himmel wieder grün, die Welt hat genug gefroren.‘ Das ist ein starkes Bild, Hoffnung vieler, die sich mit dem Einzug Jesu in Jerusalem verbinden, Hoffnung vieler auch nach zwei Jahren der Pandemie. Doch das Dunk dieser Welt bleibt, scheint zu obsiegen. Menschen leiden, sinnlos, und andere leiden mit. Es ist ein Gefühl von Ohnmacht.
‚In der Welt habt ihr Angst‘, sagt Jesus – und ich will diese Angst ernstnehmen, in dieser Schlüsselwoche im Leben Jesu, durch die wir diese Tage gehen.
Dennoch will ich heute aus dem großen ABER leben. ‚Aber seid getrost, ich werde die Welt überwinden.‘
Die Losung für heute geleite uns:
‚Seid getrost und unverzagt alle, die ihr des HERRN harret!‘ Psalm 31,5).
Einen gesegneten Tag uns allen.


Morgenimpuls zum 12. April 2022
Finstere Mächte und Gestalten wirken unter uns. Sie führen uns vor, was zählt auf dieser Welt: Gier nach Macht, Besitz, Rohstoff. Der Mensch zählt nicht. Wer Frieden sucht, barmherzig ist, sich den Elenden zuwendet, wird kleingelacht und kleingemacht. Utopisch zu glauben, es wäre anders. Das gilt für alle, selbst für Gott. In dieser Karwoche spüren wir der Macht nach, die das Leben und die Lebendigen zum Feind hat. Ohnmacht wäre erwartbar.
STATTDESSEN werden wir verrückt, versetzt, in einen anderen Wirkungskreis. Der Lehrtext bringt es auf den Punkt: „Er hat uns errettet aus der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines geliebten Sohnes.“ (Kol 1,13)
STATTDESSEN: mit dieser Haltung will ich leben, nicht sitzenbleiben, sondern versetzt werden – und von dieser neuen Position her sehen und wahrnehmen. „Freunde, dass der Mandelzweig, wieder blüht und treibt, ist das nicht ein Fingerzeig, dass die Liebe bleibt.“ (Shalom Ben Chorim, 1942). Den Fingerzeigen Gottes auf die Spur zu kommen, geleite uns.
Einen gesegneten Tag uns allen.


Morgenimpuls zum 13. April 2022
UNERWARTETE GÄSTE (Horst Bienek) – wer hätte gedacht, dass mitten in Europa unzählige Menschen aufgenommen werden, unerwartete Gäste. Wir empfangen mit offenen Armen, hoffentlich noch lange, mit Gästen ist es nicht einfach. In der Karwoche berichtet ein Gastgeber: „Gestern waren die Zwölf Apostel bei mir zu Gast. Ich tischte alles auf, was der Kühlschrank hergab. Sie müssen von sehr weit gekommen sein. Sie waren hungrig und durstig und auf ihren Mänteln klebte dick der Staub. Ich wollte wissen, wer unter ihnen Johannes sei und wer Judas. Sie sagten, sie übten noch. Die Rollen werden erst kurz vor Ostern festgelegt.“ Liebling und Verräter, es liegt nahe beieinander, manches Mal ist es nicht zu unterscheiden. Und doch steht die Gastfreundschaft unter einer großen Verheißung. Die Losung aus Micha 5 Lautet: „Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde.
Und er wird der Friede sein.“ Dieser UNERWARTETE FRIEDE, zu den Gastgebern und Gästen
gesprochen, kehre auch bei uns ein. Noch ist nicht festgelegt, wer Johannes und wer Judas sein
wird – üben wir uns bis dahin im Frieden. Einen gesegneten Tag uns allen.


Morgenimpuls zum Gründonnerstag,14. April 2022
ERINNERUNG STIRBT (Dorothee Sölle), wenn sie keine Nahrung hat, wenn sie nichts gilt, wenn
es keinen Ort gibt, wo sie wohnen kann, keine Stelle, wo sie öffentlich geteilt wird. Sie
verkümmert und geht ein an der totalen Privatisierung des Lebens. Mit der Erinnerung an das,
was Gott getan und verheißen hat, stirbt ja auch ein anderer Bezug zur Gegenwart, ein kritisches
Über-sie-hinaus-Fragen. Mit der Erinnerung stirbt auch die Zukunft.
Zahl der Christen sinkt unter 50%. Gestern Abend RTL Passionsspiele mit Thomas Gottschalk.
Heute beginnt der längste Gottesdienst der Geschichte: Von Gründonnerstag bis Ostern werden
Leben und Tod durchschritten. Damals saßen Jünger in Angst und warteten auf den Schrecken
der kommt. Mich erinnert das an schreckliche Bilder unserer Tage. Gemeinsam erinnern, was
Jesus getan, erlitten, durchgemacht hat, nimmt Leid ernst. Gemeinsam verbunden geht es ins
Leid und durch das Leid hindurch. Erinnern schafft Leben. Jesus Christus spricht: „Ich bin das
lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in
Ewigkeit.“ Heute Abend, gemeinsam erinnern an damals, um Zukunft zu gewinnen. Damit wir
nicht verkümmern, braucht es Gemeinschaft. Das ist die Losung für heute: „Mir sollen sich alle
Knie beugen und alle Zungen schwören und sagen: Im HERRN habe ich Gerechtigkeit und
Stärke.“ (Jes. 45, 23f.) Und zu ergänzen: Lebendige Zukunft. Gehen wir gemeinsam durch diesen
Tag, erinnern wir uns. Einen gesegneten Tag. Allen. Auch uns.


Morgenimpuls zum Karfreitag, 15. April 2022
DENN sie wissen nicht, was sie tun. Lukas fügt diesen Satz in seine Passionsgeschichte hinzu. Er
entschuldigt nicht, was Menschen denken, reden, tun, und sei es noch so schlimm. Lukas aber
erlebt: Menschen sind nicht bei Sinnen, nicht bei Trost. Anders ist nicht zu erklären, was
geschieht: willkürliche Gewalt, Vergewaltigungen, Einkesseln, Aushungern, Verbrechen im Krieg,
die alle menschlichen Regeln brechen.
DENN als Jesus mit dem Tod ringt, sich qualvoll aufrichtet, um noch Luft für einen vorletzten
Atemzug zu haben, gehen seine Gedanken zu den Menschen, die aus seinem Tod ein grausames
Spiel machen. „Vater, verzeih ihnen, und erlasse ihnen ihre Schuld.“ Das ist wahrhaft Gottes
Passion, seine Leidenschaft für schuldige Menschen: „Wir empfangen, was wir verdienen“, sagt
der Mitleidende und Mitsterbende, dem verheißen wird: „Noch heute wirst du im Paradies sein.“
DENN auch wir wissen nicht, was wir tun, auch nicht, was wir tun sollen oder dürfen. Wir
täuschen uns selber, wenn wir uns hier sicher sind. Hören wir an diesem Karfreitag einmal auf
das Wort aus Jesu Mund. Und schließen uns mit ein: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist,
denn ich vertraue dir.“ Einen gesegneten Tag. Allen. Amen.


Morgenimpuls zum Karsamstag, 16. April 2022

GESTERN war es so weit. Die Sonne erlosch. Die Erde stand still. Ein Gerechter, der Gerechte
starb elendig am Kreuz. Gott stirbt am Kreuz. Und mit ihm sterben auch all die Hoffnungen, dass
wir Menschen es selber hinbekommen, diese Erde dauerhaft zum Paradies zu machen. GESTERN
tat sich die Hölle auf Erden auf. Die Sonne erlosch. Ohne Licht kein Leben. Das ist das Ende allen Lebens. Das Unrecht siegt, endgültig. Der Schmerz siegt, endgültig. Der Tod siegt, endgültig. Die Sonne erlosch.
HEUTE ist es wieder oder immer noch so weit. Die Sonne erlischt. Für viele geht sie nicht mehr auf. Menschen sind im Dunkel gefangen, kein Licht erreicht sie. Menschen sitzen im Dunkel, manche in einem Gefängnis aus Stein, manche im Untergrund, manche sind gefangen im dunklen Gefängnis ihrer Gedanken, Sorgen, Ängste. Die Sonne erlischt auch heute. Unrecht siegt, Schmerz siegt, Tod siegt. Dieser Wahrheit schauen wir ins Auge. GESTERN Karfreitag. HEUTE Karsamstag. Weiter kommen wir nicht. Heute nicht.
Seien wir realistisch. Wir kommen gar nicht weiter. Wir sind an einem toten Punkt angelangt. Klima, Korona, Krieg. Katastrophal ist unsere Lage. Die Sonne erlosch. Die Sonne erlischt.
Zumindest an einem Tag, an diesem einen Tag, am Karsamstag sollten wir das aushalten. Schon aus Solidarität mit denen, denen es jeden Tag, alle Tage, alle Zeit so geht. Kein Funken Hoffnung. Menschen können nicht mehr helfen. Weder GESTERN noch HEUTE.
Lehrtext für Karsamstag: Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium. (2. Tim. 1,10)


Morgenimpuls zum Ostersonntag, 19. April 2022
Stell dir vor
Gewalt wird durchbrochen
verhärtete Momente werden aufgebrochen
solidarische Gesten sind da.
Stell dir vor
Versöhnung mit sich selber gelingt
erlösende Momente der Befreiung aus eigener Schuld
neues Aufeinanderzugehen wird möglich
tröstende Worte sind da.
Stell dir vor
Menschen werden nicht mehr für immer abgeschrieben
Verwandlung wird möglich
Ausgegrenzte finden Aufnahme in unseren Kreis
lebensfördernde Zeichen sind da.
Stell dir vor
Christus ist mitten unter uns
im Aushalten unserer Ohnmacht
im verzeihenden Miteinander
in der zärtlichen Umarmung
im unbequemen Engagement für die Menschenrechte
im solidarischen Aufbruch
im Feiern unseres Lebens
ist Christus mitten unter uns.

Judaskuss – Passionsandacht 22.03.2022 in der Pauluskirche Krefeld

Ein ganz normaler Morgen, in vielen Familien. „Mach es heute gut!“

Ein Kuss zum Abschied, oft flüchtig, routiniert, alltäglich. „Unsere Wege trennen sich jetzt, sei behütet, auf Wiedersehen! Ich mag dich.“

Ein ganz normaler Kuss, ein ganz normaler Gruß. Für all das Unvorhergesehene, was auf einen zukommt, eine Versicherung: Ich freue mich, wenn du wieder kommst, am Abend, nach den Mühen des Alltags. Ein Kuss für die normalen Geschichten im Lauf des Lebens.

Ein ganz besonderer Abend, in der Jüngerfamilie. „Nichts ist gut, nichts wird gut.“

Ein Kuss zum Abschied, ein Zeichen. Vorher verabredet. „Unsere Wege trennen sich jetzt. Es gibt kein Wiedersehen. Ich mag dich nicht mehr.“

Ein Kuss, der Geschichte schreibt, der die Geschichte trennt in ein vorher und nachher. Ein Kuss für all das Vorhersehbare, was jetzt auf Jesus zukommt – und auf Judas. Judas kauft sich ein Stück Land, die Wanderschaft seines Lebens ist zu Ende. Jesu wird festgesetzt, auch seine Wanderschaft ist zu Ende. Ihre Wege trennen sich. Gewaltig.

Gewalt trennt Jesus und Judas, eben noch vereint gelaufen, um Geschichte zu machen. Der Judaskuss, ein Kuss unter Brüdern, es folgt unnötiges Blutvergießen. Doch Jesus widersetzt sich der sinnlosen Gewalt, selbst jetzt noch heilt er, versöhnt er. Von ihm geht mitten in der Gewalt Heil aus. Schwerter senken sich. Jesus enttarnt, wie unnütz Gewalt und Hass sind: Täglich, alltäglich hättet ihr Hand an mich legen müssen – ihr aber wartet auf die dunkle Stunde und nutzt die Macht der Finsternis. Man möchte ein „Pfui Teufel!“ rufen, zu Judas, zu Hohepriestern, zu Hauptleuten, zu den Ältesten, den mächtigen Männern, Herren über Leben und Tod.

„Pfui Teufel!“ den Verrätern der Weggefährten, die lange vereint durch die Geschichte gelaufen sind. „Pfui Teufel!“ den Hohepriestern, die die Gewalt im Namen Gottes rechtfertigen. „Pfui Teufel!“ den Wachleuten, die mit Schwertern und Stangen auf den Ölberg einbringen, an dem Jesus und die Jünger den Abend in Furcht und Angst verbringen – sie ahnen, welch gewaltiges Ende dieser Abend nehmen wird. Jesus betet, bittet, fleht: „Vater, nimm den Kelch von mir.“ Jünger, wie Brüder Jesu, beten zum selben Gott, nennen auch ihn Vater. Gott soll es friedlich richten, bevor die Menschen gewaltig richten. Doch Gott, der Allmächtige, greift nicht ein, noch nicht, es greift Gewalt um sich. „Pfui Teufel“ ihr Ältesten, ihr Mächtigen die ihr eure Truppen aufgestellt habt, damit Blut fließt. Unnötiges, sinnloses Blutvergießen, Folge eines Streits zwischen Brüdern, die einstmals vereint waren, und sich offensichtlich getrennt und geschieden haben. „Pfui Teufel!“, so löst man doch keinen Konflikt – man hätte doch friedlich, alltäglich, wörtlich den Konflikt lösen können, friedlich verhandeln statt kriegerisch handelt. „Pfui Teufel!“

Und Judas: für seinen Verrat, für das Auslösen des Konfliktes bekommt er den Judaslohn, kauft sich ein Stück Land. Es wird ihm nicht zum Segen gereichen, so erzählt es Lukas. „Von dem Lohn für die ungerechte Tat kaufte sich Judas ein Stück Land. Dort kam er durch einen Sturz ums Leben. Sein Körper platze auf, und die Eingeweide quollen heraus. Alle Bewohner von Jerusalem haben davon erfahren. Deshalb wird dieses Stück Land Blutacker genannt.“

Dem Verrat unter Brüdern folgt Gewalt, und der Judaslohn wird zum Fluch. Und alles begann mit einem Kuss, nicht flüchtig, sondern verflucht, kein „Auf Wiedersehen!“, sondern „Auf Nimmerwiedersehen!“ Ein Kuss zwischen Brüdern, der Geschichte schreibt, traurige Geschichte.

Mich erinnert der Judaskuss an den sowjetischen Bruderkuss – auch er Grundlage für Gewalt und Blutvergießen in unseren Tagen. Sinnlose Gewalt, der Lohn ein Stück Land, Blutacker werden es sein, die ukrainischen Städte am Schwarzen Meer, wo auch heute das Leben in den Tod stürzt und viele Menschen sich auf die Flucht machen. Die Jünger Jesu, auch sie waren hinfort nicht mehr gesehen. Der Verräter selber hält sich aus der weiteren Geschichte raus, andere Weggefährten werden zu Lügnern und Verleugner, andere tauchen einfach ab, andere greifen zum Schwert.

Wo Gewalt herrscht, wird es einsam. Menschen machen sich aus dem Staub, fliehen. Verstört von der unsinnigen Gewalt. Das Leben geht nun einen irren Gang, es wird Recht gesprochen, wo Unrecht regiert. Es geht nicht mehr vor Gott und um sein Gericht, es geht vor Pilatus und Herodes, es geht vor das aufgebrachte Volk, falsch informiert, aufgehetzt, außer sich. Doch noch ist es nicht so weit. Noch sind wir mitten in der gewaltigen Szene am Abend, blicken erschrocken und verstört auf die unheilvollen Folgen eines Bruderkusses.

Wir sind mittendrin – und doch außen vor. Wir können nichts tun, scheinbar. Oder doch? Wir können es zumindest versuchen, an diesem Abend. Das tun, worum uns Jesus bittet: „Wachet, betet, fallt nicht in Anfechtung.“ Wir können wachsam sein, damit das Dunkel nicht auch uns überkommt. Wir können beten, mit Gott in Verbindung bleiben, dem Gott des Friedens und des Heils. Wir können bitten, nicht in Anfechtung zu fallen.

Wer in Anfechtung fällt, den zerreißt, was geschieht, der wird irre, weil er nicht glauben kann, was er sieht. Wer in Anfechtung fällt, der droht, Gott aus den Augen zu verlieren und sich an der Spirale der Gewalt zu beteiligen. Ein Jünger Jesu beginnt schließlich mit der Gewalt, der Erstschlag ist Folge der Anfechtung. Im juristischen Sinne meint Anfechtung, sich einem getroffenen Urteil, einer ausgesprochenen Entscheidung widersetzen, eine höhere Instanz anrufen, die Revision einfordern. Revision – einer soll noch einmal drauf schauen, das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen. So empfinden es auch manche Jünger – aber weil Revision nicht vorgesehen, nicht zugelassen ist, greifen sie zum Schwert.

„So nicht“, sagt Jesus. Alles, was ihr tun könnt, ist wachen, beten, nicht in Anfechtung fallen. Darum bittet Jesus die Jünger damals, und das ist das Mindeste, was auch wir tun können. Ja, wir können sogar noch mehr tun: uns um all diejenigen kümmern, die vor der Gewalt fliehen, deren Lebensgeschichten sich durch einen verräterischen Kuss unter Brüdervölkern so unheilvoll wendet.

Leider ist die Passionsgeschichte aktuell. Verrat und Gewalt hören nicht auf in dieser Welt. „Seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ So geht der Blick nach vorne, auf den Sonntag hin, das kleine Osterfest mitten in der Passionszeit. Dieser vorausschauende Blick ist das eine, beten und wachen das andere. Auf das wir all dies können, als Jünger Jesu heute.

Und Gott geht mit uns, durch diese gewaltigen Tage, auf dass wir Botschafter des Friedens sind und bleiben. In diesen verrückten, irren Zeiten, an diesem Abend. Gott sei mit uns. Mach es heute gut. Amen.

Morgenimpuls 19.-22.07.2021

Geistliche Impulse

Montag, 19. Juli 2021

Bilder der Flutkatastrophe: Folge menschlichen Versagens, global und lokal.

Gott scheidet am dritten Schöpfungstag das Trockene und das Feuchte. Gott unterscheidet – und das ist gut. Wir Menschen aber gehen gerne an die Grenze. Wo es einst feucht war, bauen wir Häuser, Kirchen, Hotels. Der Blick vom Festen auf das Wasser ist wunderbar, aber auch gefährlich. Nun haben wir Menschen die Grenze zwischen dem Feuchten und dem Trockenen verschoben, Klimawandel als Folge einer fortwährenden Grenzüberschreitung des Menschen. Die Folgen sehen und erleben wir, heute. Menschen, ohne eigenes Verschulden und Zutun, wird alles Hab und Gut weggeschwemmt, übrig bleibt, was schon am Anfang war: Wüste und Ödnis.

Wir können uns ja einmal selbstkritisch fragen: wo akzeptieren wir Grenzen nicht, die Gott gut gemacht hat? Wo überschreiten wir Grenzen, zwischen Tag und Nacht, Werktag und Sonntag, dem Festen und dem Flüssigen? Und welche Konsequenzen erleben wir, erleiden wir? Oder anders: wo entsteht aus dem Respekt von Grenzen Gutes, Segen?

Als Gott am Anfang alles ansah, was er geschieden, geordnet, geschaffen war, da war alles sehr gut. Ich wünsche uns bei allem, an diesem Tag, in dieser Woche, einen inneren Kompass, und eine große Achtsamkeit: auf dass wir nicht Grenzen überschreiten und es für uns gefährlich wird. Gott segne unser Tun und Lassen. Amen.

Dienstag, 20. Juli 2021

Und dann, am nächsten Tag. Die Bilder der Verwüstung, sie rufen einen alten Reflex hervor: wer ist schuld? Es gibt eine klare, biblische Antwort. Gott verursacht die Katastrophe, um die Menschen zu bestrafen: „Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe.“ Der sündige Mensch und der strafende Gott. Ich frage mich: Wann kommt mir dieser Gedanke in den Sinn: „Die kleinen Sünden straft der Herr sofort…“ Ich erteile mir heute keinen Dispens, dieser Gedanke ist mir vertraut. Leider! Leider? Ich frage mich, wie oft ich das Schlimme, das Böse, die Katastrophe Gott in die Schuhe schiebe – und Mitmenschen belaste. Ein klares Ursache-Wirkungs-Prinzip. Aber cui bono, wem hilft es? Ein „Greenwashing“, verbunden mit einem „Fingerpointing“?

Gott sei Dank ist es komplexer, verwobener, undurchsichtiger. Denn Geschichte wiederholt sich nicht, repititia non placent. So ist es an uns, immer wieder neu zu bestimmen: wofür mache ich den Menschen, wofür Gott verantwortlich? Heute will ich darüber nachdenken. Und am Ende: „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde, und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ (1. Tim. 2,4) Mich leitet, dass Gott seinen Blick darauf lenkt, dass Menschen Hilfe erfahren und Wahrheit erkennen. Und so sehe ich die vielen helfenden Menschen mit anderem Blick. Gott leite unseren Blick, unsere Reflexe, unser verantwortliches Reden und Denken über Gott und den Menschen auch heute. Seid gesegnet. Amen.

Mittwoch, 21. Juli 2021

Katastrophale Bilder: zu viel – zu wenig Wasser. Beides kennt die Bibel. Klimaflüchtling Elia hat dies erlebt: so wenig Wasser, dass selbst der nie versiegende Bach Krit wasserlos bleibt. Sein Leben hat keine Grundlage mehr – und niemand kommt mit einem Frischwassertank. Schon davor: Elia, Prophet des Gottes, der rein und unrein trennt, den richtigen und den falschen Gott, schon davor wird Elia zum Aasfressen genötigt: Rabenreste. Elia flieht, nichts geht mehr – er schleppt sich ans Mittelmeer, nach Sarepta. Am Ende der Kraft bettelt er eine Witwe, ein Klaubweib, das Holz für die Henkersmahlzeit für sich und ihren Sohn sammelt an. Tiefer kann man nicht fallen – Klimaflüchtling Elia. Die Bitte um Solidarität und Gastfreundschaft, eigentlich selbstverständlich, wird mit einem „Fürchte dich nicht!“ und einem Zuspruch versehen: Mehl und Öl werden nicht versiegen, wenn du hilfst. „Im Namen Gottes ergeht folgendes Urteil…“ Und aus dem Fluch, den Elia ohne Gottes Mittun gegenüber Ahab ausgesprochen hatte, wird ein Segen, von Gott eingelöst. Und so, genauso, bleibt Elia als Prophet wirksam. Nachzulesen 1. Könige 17. Am Sonntag war uns diese Geschichte aufgebeben, nicht im Dürre-, sondern im Flutsommer. Und sie erinnert mich an das Nötigste: Fürchte dich nicht! Sei solidarisch, teile auch in eigener Not. Und daraus entsteht Segen. Apropos: mit ein paar Tropfen nur habe ich am Sonntag getauft, gleich drei Mal: „Fürchte dich nicht. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Und: „Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ Gottes Kraft wird in der Schwachheit mächtig – dazu helfe mir Gott heute. Seid ein Segen. Amen.

Donnerstag, 22. Juli 2021

Wo ist Gott, wenn man ihn braucht? Auf der Sonnenseite? Bei den Erfolgreichen? Obenauf?

Nein, „Christus ist tief im Schlamm“, so formuliert es Präses Latzel eindrücklich. Mich bewegt das. Christus bei den Menschen zu suchen, deren Nächste in den Fluten umgekommen, deren Besitz weggeschwemmt, deren Heimat verloren wurde. Christus ist mit seiner Solidarität bei den Menschen. Nicht mit vielen Worten, sondern aufmerksam hörend, wirksam tröstend, wirklich helfend. Es liegt viel Schlamm auf den Straßen und auf den Seelen, viele Brücken tragen nicht mehr, Rufe, Anrufe laufen ins Leere. Gott ist da, genau da, wo man ihn braucht. Analysiert wird später, jetzt wird geholfen – wo begegne ich eigentlich in meinem Alltag einer solchen Not, die mich, meinen Glauben, meinen Christus braucht? Ich sage „mein Christus“, nicht als mein Eigentum, sondern als mein Mitgeher: „In der Mitte der Nacht liegt der Anfang eines neuen Tags, und in ihrer dunklen Erde blüht die Hoffnung.“ (Fritz Baltruweit) Dies ist ein Christusgeschehen, mir nicht verfügbar, aber doch greifbar, im Gebet. Christus tief im Schlamm – das ist Hoffnung. Sie trage uns. Damit wir zum Segen werden. Da, wo er besonders gebraucht wird. Gott segne euer Fühlen, Denken, Handeln. Amen.

Gott sei Dank ist es komplexer, verwobener, undurchsichtiger. Denn Geschichte wiederholt sich nicht, repititia non placent. So ist es an uns, immer wieder neu zu bestimmen: wofür mache ich den Menschen, wofür Gott verantwortlich? Heute will ich darüber nachdenken. Und am Ende: „Gott will, dass allen Menschen geholfen werde, und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ (1. Tim. 2,4) Mich leitet, dass Gott seinen Blick darauf lenkt, dass Menschen Hilfe erfahren und Wahrheit erkennen. Und so sehe ich die vielen helfenden Menschen mit anderem Blick. Gott leite unseren Blick, unsere Reflexe, unser verantwortliches Reden und Denken über Gott und den Menschen auch heute. Seid gesegnet. Amen.

Mittwoch, 21. Juli 2021

Katastrophale Bilder: zu viel – zu wenig Wasser. Beides kennt die Bibel. Klimaflüchtling Elia hat dies erlebt: so wenig Wasser, dass selbst der nie versiegende Bach Krit wasserlos bleibt. Sein Leben hat keine Grundlage mehr – und niemand kommt mit einem Frischwassertank. Schon davor: Elia, Prophet des Gottes, der rein und unrein trennt, den richtigen und den falschen Gott, schon davor wird Elia zum Aasfressen genötigt: Rabenreste. Elia flieht, nichts geht mehr – er schleppt sich ans Mittelmeer, nach Sarepta. Am Ende der Kraft bettelt er eine Witwe, ein Klaubweib, das Holz für die Henkersmahlzeit für sich und ihren Sohn sammelt an. Tiefer kann man nicht fallen – Klimaflüchtling Elia. Die Bitte um Solidarität und Gastfreundschaft, eigentlich selbstverständlich, wird mit einem „Fürchte dich nicht!“ und einem Zuspruch versehen: Mehl und Öl werden nicht versiegen, wenn du hilfst. „Im Namen Gottes ergeht folgendes Urteil…“ Und aus dem Fluch, den Elia ohne Gottes Mittun gegenüber Ahab ausgesprochen hatte, wird ein Segen, von Gott eingelöst. Und so, genauso, bleibt Elia als Prophet wirksam. Nachzulesen 1. Könige 17. Am Sonntag war uns diese Geschichte aufgebeben, nicht im Dürre-, sondern im Flutsommer. Und sie erinnert mich an das Nötigste: Fürchte dich nicht! Sei solidarisch, teile auch in eigener Not. Und daraus entsteht Segen. Apropos: mit ein paar Tropfen nur habe ich am Sonntag getauft, gleich drei Mal: „Fürchte dich nicht. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ Und: „Gott hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.“ Gottes Kraft wird in der Schwachheit mächtig – dazu helfe mir Gott heute. Seid ein Segen. Amen.

Donnerstag, 22. Juli 2021

Wo ist Gott, wenn man ihn braucht? Auf der Sonnenseite? Bei den Erfolgreichen? Obenauf?

Nein, „Christus ist tief im Schlamm“, so formuliert es Präses Latzel eindrücklich. Mich bewegt das. Christus bei den Menschen zu suchen, deren Nächste in den Fluten umgekommen, deren Besitz weggeschwemmt, deren Heimat verloren wurde. Christus ist mit seiner Solidarität bei den Menschen. Nicht mit vielen Worten, sondern aufmerksam hörend, wirksam tröstend, wirklich helfend. Es liegt viel Schlamm auf den Straßen und auf den Seelen, viele Brücken tragen nicht mehr, Rufe, Anrufe laufen ins Leere. Gott ist da, genau da, wo man ihn braucht. Analysiert wird später, jetzt wird geholfen – wo begegne ich eigentlich in meinem Alltag einer solchen Not, die mich, meinen Glauben, meinen Christus braucht? Ich sage „mein Christus“, nicht als mein Eigentum, sondern als mein Mitgeher: „In der Mitte der Nacht liegt der Anfang eines neuen Tags, und in ihrer dunklen Erde blüht die Hoffnung.“ (Fritz Baltruweit) Dies ist ein Christusgeschehen, mir nicht verfügbar, aber doch greifbar, im Gebet. Christus tief im Schlamm – das ist Hoffnung. Sie trage uns. Damit wir zum Segen werden. Da, wo er besonders gebraucht wird. Gott segne euer Fühlen, Denken, Handeln. Amen.

Morgenimpuls 04.12.2020

Adventlich leben heißt, in Erwartung leben.

Kinder schreiben Wunschlisten auf, damit sich an Weihnachten erfüllt, was sie sich erträumen.

Fulbert Steffensky hat die Kirche als Einrichtung Gottes in der Welt wir folgt beschrieben: Das Haus, das die Träume verwaltet.

Als Christenmenschen dürfen wir in diesem Haus leben, und erwarten, was aus ihren Geschichten in ein erwartetes, verheißenes Morgen verheißt.

Was ist unsere Hoffnung, in diesen unseren Tagen?

Wenn ich selber hoffnungsarm bin oder aber von mir und anderen zu viel erwarte: heute will ich mich einmal aus dem Schatz bedienen, der uns vor- und mitgegeben, uns aufgeschrieben ist.

Und so zünde ich eine neue Kerze an, und überwinde damit das Böse mit Gutem. (Röm 12,1)

Auch das ist Nachfolge,  auf das Kommen Gottes warten, gemeinsam im Geist verbunden.

„Dann wird die arme Erde allen

Ein Land von Milch und Honig sein.

Das Kind zieht als ein König ein,

und Davids Thron wird niemals fallen.“ (EG 20,7)

Gesegnet dieser adventliche Tag.

Morgenimpuls 03.12.2020

In diesen Tagen müssen wir uns oft neu finden und erfinden. Weil vieles nicht mehr weitergeht, wie bisher. Das gilt auch in der Wirtschaft. Wer neu wird, muss auf ein Geheimnis vertrauen: das es noch mehr zu entdecken gibt als das, was schon offensichtlich ist.

Jesus war ein Mensch, aber eben nicht nur. Er trug von Anfang an das Geheimnis Gottes in sich. Im Glauben bin ich hineingestellt in eine Geschichte, die mich umfasst und umschließt. So bin ich geborgen, wenn ich entdecke, wer Jesus für mich und die Welt sein kann.

Das will ich heute einmal meditieren – und so ruhig werden, gerade wenn vieles auf mich einstürmt, ja, mich zu zerreißen droht, der Boden unter den Füßen wackelt. Und vielleicht teile ich meine Erfahrung: ich bin von Gott gefunden, und kann daher immer wieder Neues finden.

Wunderbar geborgen bei allem, was kommt. Denn er kommt, auf jeden Fall. Dieser helle Ausblick tröstet mich.

„Noch andre Namen wird er führen:

Er heißt Gottheld und Wunderrat

Und Vater aller Ewigkeit.

Der Friedefürst wird uns regieren!“ (EG 20,6)

Morgenimpuls 02.12.2020

„Wer jemand ist und als wer er sich erlebt, wird maßgeblich bestimmt durch das komplexe Gewebe von bedeutungsvollen, sinnstiftenden Aktivitäten, das wir Kultur nennen.“ (P. Bieri).

Was verlieren wir wirklich in diesen Adventstagen und am Weihnachtsfest, worin genau schränken wir uns ein, werden beschränkt? Heute könnte ich einmal darüber ins Gespräch kommen. Ich frage, ob das, was mir Advent und Weihnachten bedeutet, nicht anders, neu, besser zur Geltung kommen kann.

Mir fehlt die Aussicht auf eine Lichtdusche, auf Bergen Sonne und weißen Schnee zu sehen – es ist für mich ein Antidepressivum, die körperliche Seite meines Glaubens. Für mich gehört diese Aussicht dazu, sie ist mir genommen. Vielleicht. Denn wodurch kann ich diese Sehnsucht nach Licht ersetzen?

Ich zünde die Kerze auf meinem Adventskranz an und suche nach meiner Antwort. Vielleicht macht sich jemand heute mit auf die Suche. Was fehlt meiner Kultur, was gibt es jetzt, hier und heute.

„Man singt, ein Sohn ist uns gegeben,

Sohn Gottes, der das Zepter hält,

der gute Hirt, das Licht der Welt,

der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ (EG 20,5)

Gesegnet dieser adventliche Tag.

Morgenimpuls 01.12.2020

„Für jemanden, der aus einer religiösen Identität heraus leb, gibt es eine Definition eines sinnvollen und glücklichen Lebens, die von außen kommt. Für eine säkulare, weltliche Identität ist es anders.“ (P. Bieri)

Ich werde morgens eine Kerze entzünden, still werden, warten, was bei mir ankommt. Das adventliche Licht zeigt auf, was mir einleuchtet, was ich aufleuchten lassen will: Ich lebe von Gottes Kommen in mein Leben her und hin, mein Anker ist außerhalb meiner Selbst.

In der Stille des Advents einmal miteinander hören und sehen, was auf mich und über mich kommt, und dafür neue Worte finden, tastend, suchend, fragend. Dafür könnte unsere Zeit heute einmalig sein, am Jahresende mit Mitarbeitern ganz anders, neu, ungewohnt feiern. Ob das wirklich weniger fröhlich ist und zu weniger Freude führt als sonst?

Wie sieht unsere Weihnachtsansprache in diesem Jahr aus?

„Die ihr noch wohnt im Tal der Tränen,

wo Tod den schwarzen Schatten wirft:

Schon hört ihr Gottes Schritt, ihr dürft

euch jetzt nicht mehr verlassen wähnen.“ (EG 20,2)

Gesegnet dieser adventliche Tag.

Morgenimpuls 30.11.2020

„Ich möchte in einer Kultur der Stille leben, in der es vor allem darum ginge, die eigene Stimme zu finden.“ So schreibt es Peter Bieri in seiner Sammlung von Vorträgen „Wie wollen wir leben?“ 2011.

Diese Kultur der Stille ist nun eine aufgezwungene, angeordnete, von außen über uns gekommene. Wir sollten sie nutzen. „Wenn dein Kind dich morgen fragt“ (5. Mose 6,20), nach dem, was uns wirklich wichtig ist. Was ist stimmig für uns, was tragen wir selbst-be-stimmt weiter?

Wir könnten erzählen, wo uns das Licht des Advents aufgeht und uns leuchtet, und es zuerst uns selbst sagen. Aber wir dürfen auch still sein, innehalten, hören, was unser Mitmensch uns zu sagen hat. Wir könnten dieses Jahr des stilleren Advents nutzen, uns miteinander auf das Wesentliche zu konzentrieren: „Eine Religion ist ein Vorschlag zum Umgang mit Erfahrungen, die unsere Kräfte zu übersteigen drohen.“ (Bieri). Woran bin ich, woran bist du rückgebunden – das würde die Kultur verändern, auch in unseren beruflichen Kontakten.

Durch diese Woche begleiten uns Verse des Adventslieds von Jan Willem Schule Nordholt, übertragen von Jürgen Henkys. Lauschen wir heute einmal auf die Stille:

„Das Volk, das noch im Finstern wandelt –

bald sieht es Licht, ein großes Licht.

Heb in den Himmel dein Gesicht

und steh und lausche, weil Gott handelt.“ (EG 20,1)

Gesegnet dieser adventliche Tag.

Morgenimpuls 29.11.2020

„Siehe, Altes ist im Vergehen.“ Der November erinnert uns, dass wir unser Leben abschiedlich führen sollten. „Haben, als hätte man nicht“, doch so leicht ist es nicht.

In den Steillagen der Mosel werden die gelben Blätter entfernt. Ein Rebenjahr ist vorüber, jetzt reift der Wein. Doch obwohl die Frucht geerntet ist, gibt es weiterhin Arbeit. Mit welchen Gedanken die Winzer wohl in diesen Tagen im Weinberg stehen? Wovon mussten Sie sich in diesem Jahr verabschieden, was bisher zu ihrem Jahreslauf dazu gehört hat?
Niemand sollte leichtfertig abtun, was schmerzlich vermisst wird. Es ist gut, wenn wir im Blick haben, wovon wir und unsere Mitmenschen sich verabschieden müssen und welche Schmerzen dies ober- und unterflächlich mit sich bringt. Wenn wir als Christen hierzu eine Haltung entwickeln, leisten wir einen Dienst – und strahlen aus: in das vom Abschied gezeichnete Leben anderer hinein.
Friedrich Hölderlin hat uns hierzu einen Weg gewiesen, im Stammbuchblatt für einen Unbekannten, aus dem Jahr 1789.
„Es erschreckt uns, / Unser Retter, der Tod. Sanft kommt er / Leis im Gewölke des Schlafs, / Aber er bleibt fürchterlich, und wir sehen nur / Nieder ins Grab, ob er gleich uns zur Vollendung / führt aus Hüllen der Nacht hinüber / in der Erkenntnisse Land.“
Wo wir den Schmerz anderer teilen, teilen wir unsere Hoffnung. Leise und sanft – und darin offenbart sich der, der uns rettet und trägt. Im Leben und im Sterben – und im Abschied.
Noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last. Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen, das Heil, für das du uns geschaffen hast.
Gesegnet sei dieser neue Tag.

Morgenimpuls 28.11.2020

„Siehe, Altes ist im Vergehen, Neues noch im Werden.“ (2. Kor. 5,17) In Christus sind wir schon neu geworden, so die Zusage. Doch wir leben mitten in der Vergänglichkeit. Im November richtet sich unser Blick auf das, was für uns vergangen und endgültig vorbei ist. Sind wir schon versöhnt mit dem, wovon wir Abschied nehmen mussten? Haben wir die Menschen, von denen wir uns verabschieden müssen, wirklich gut verabschiedet, auf dass wir unseren Frieden finden können? In unternehmerischer Verantwortung verabschieden wir uns ja auch von Menschen, die für uns und mit uns gearbeitet haben. Wie steht es um unsere Abschiedskultur? Eduard Sprangers Gedanken aus dem Jahr 1945 lohnen zum Nach-Denken: „Der irdische Tod wird für den, der in der Liebe Gottes lebt, nicht aufgehoben, und was etwa auf den Tod folgt, wird nicht offenbart. Wir haben nichts als die Verheißung, dass die Liebe ewiglich währt. (…) Wir habe einen Schlüssel empfangen. (…) Wir existieren nur in der Hoffnung, dass der Tod nicht in das Nichts hineinführt, sondern dass er gerade die Pforte ist, durch die wir in Gottes Herrlichkeit eingehen.“ Wie prägt unsere Hoffnung im Glauben die Kultur unserer Abschiede?
Gott sei mit uns, am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag. Gesegnet sei dieser neue Tag.